Seit dem 9. September laeuft in Neuseeland das Sportereignis des Jahres, wenn nicht sogar des Jahrhunderts. Zu solch einer Uebertreibung kann sich nur ein sportbesessener Kiwi hinreisen lassen, aber manchmal neigen sie eben zur Uebertreibung, vorallem wenn es um ihren Nationalsport Rugby geht. Da ich die Frauenfussball WM dieses Jahr in Deutschland und die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver miterlebt habe, moechte ich diese Gelegenheit fuer ein paar Vergleiche nutzen.
Die Stimmung im Vorfeld war hier eher gemischt, was man vorallem der Internationalen Rugby Union zuschreiben muss. Was da an Regulierungen und Bestimmungen verzapft wurde, grenzt an Bloedsinn und veranschaulicht sehr deutlich, worum es hier wirklich geht. Ums Spiel und den Sport wuerden die meisten sagen. Falsch! Es geht um Geld und zwar eine Menge Geld. Wie bei allen anderen grossen Sportereignissen machen die Sponsoren und Organisatoren eine Menge Geld und das ist ja auf der einen Seite auch richtig, schliesslich stecken sie eine Menge Geld in den World Cup. Auf der anderen Seite kann man nicht so richtig verstehen, warum ein Pub nicht mal den Slogan "Rugby World Cup" verwenden darf, wenn es fuer die Live Uebertragung von Spielen zum Beispiel "Rugby World Cup Match Neuseeland vs. Tonga" an ihre Tafeln schreibt. Das verstoesst gegen die Bestimmungen, schliesslich koennte man ja mit dem Namen "Rugby World Cup" Geld verdienen. Nun ja, ums Geld verdienen geht es ja schliesslich, darueber reden sie in ganz Neuseeland schon seit Monaten, nur scheint dies nur einem elitaeren Kreis vorbehalten sein. Den kleinen Geschaeftsleuten scheint man dies nicht zu goennen.
Nun ja, negative Stimmung und eine schlechte Einstellung zu den Olympischen Spielen gabs auch in Kanada, vorallem natuerlich in British Columbia und Vancouver, wo man mit den Auswirkungen leben musste. Aber wie auch dort schlug die Stimmung hier in Neuseeland sehr stark um. Hatte man sich vorher noch sehr laut ueber die horrenden "All Blacks" Trikotpreise von adidas beschwert, wurden nach dem Eroeffnungsspiel die Laeden regelrecht gestuermt und den Ladenbesitzern die Trikots mehr oder weniger aus den Haenden gerissen. Verstaendlich war der Aerger schon, schliesslich bezahlt der Kiwi fuer ein All Blacks Trikot fuer den Rubgy World Cup im eigenen Land mehr als wenn er das Trikot im Ausland kaufen wuerde. Das kriegten die Kiwis sehr schnell spitz und die Internethaendler auch und so war das Kaufen im Ausland zwischenzeitlich sogar verboten.
Auckland ist die groesste Stadt Neuseelands, aber nicht die Hauptstadt. Wellington waere gar nicht in der Lage, all die Tausend Besucher zu beherbergen und deswegen wurden Eroeffungsfeier, Eroeffnungsspiel und alle Spiele nach den Viertelfinalen nach Auckland vergeben. Das heisst nicht automatisch, dass Auckland mit den Besucherzahlen umgehen kann - wie der erste Abend eindeutig zeigte. Auckland und vorallem der oeffentliche Nahverkehr blamierten sich bis auf die Knochen und musste Haeme der heimischen (und vielleicht auch der internationalen) Presse einstecken. Zu Recht. Der Buergermeister Aucklands hatte alle Einwohner und Besucher aufgefordert, die oeffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, um die Strassen zu entlasten. Das fuehrte dazu, dass die Strassen lehr und die Zuege und Busse vollkommen ueberlastet waren, weil man nicht mit derartigen Besuchermassen gerechnet hatte (das war ein Zitat!). Das fuehrte ausserdem dazu, dass viele Ticketbesitzer die Eroeffnungsfeier gar nicht oder zu spaet zu sehen bekamen und einige andere verpassten auch das Eroeffnungsspiel der All Blacks gegen Tonga. Man streitet sich noch immer darum, wie man diese Ticketbesitzer kompensiert. Ach ja und der Hohn an der ganzen Sache: Der Buergermeister selbst war puenktlich, weil er selbst mit dem Auto gefahren war. Hmm, vielleicht wusste er, dass er seinen eigenen oeffentlichen Verkehrsmitteln nicht so ganz trauen kann....
Eine andere Sache, die vorallem uns Leute auf der Suedinsel so richtig wuetend macht, ist die Vergabe der Spiele an die verschiedenen Stadien. Zugegeben, Neuseeland ist ein kleines Land und ausser in den Grosstaedten Auckland (Nordinsel), Wellington (NI), Christchurch (Suedinsel) und Dunedin (SI) gibt es keine grossen Stadien, die internationale Spiele mit mehreren tausend Zuschauern beherbergen koennen. Deswegen war schon von vorne herein klar, dass die kleineren Orte wie Invercargill (SI), Rotorua (NI), New Plymouth (NI), Whangarai (NI), Hamilton (NI), Napier (NI), Nelson (SI) und Palmerston North (NI) die weniger bedeutenden Spiele abbgekommen wuerden, waerend die wirklich grossen Spiele der Titelfavouriten den grossen Stadien vorbehalten bleiben wuerde (zu diesen Favouriten zaehlen Neuseeland, Australien, Suedafrika, Frankreich und vielleicht noch England). Nachdem ich mir den Spielplan mal ganz genau angeschaut habe, musste ich feststellen, dass die All Blacks Spiele der Vorrunde folgendermassen vergeben sind: 2x Auckland, 1x Hamilton und 1x Wellington. Wenn die All Blacks weiterkommen (wovon wir doch mal alle ausgehen), geht es folgendermassen weiter: 2 der Qualifikationsspiele in Auckland und 2 in Wellington. Da Neuseeland in Pool A spielt, spielen sie auf alle Faelle wieder in Auckland, ob sie nun ihre Gruppe anfuehren oder als Zweite in die naechste Runde gehen. Die beiden Halbfinale dann in Auckland, das Spiel um den Dritten in Auckland, und wer haette es gedacht, das Finale natuerlich auch in Auckland. Nichts auf der Suedinsel. Die Leute sind richtig sauer und fuehlen sich vernachlaessigt. Hinderlich kommt hinzu, dass Christchurch aufgrund des schweren Erdbebens im Februar und den starken Schaeden am Stadium und der Infrarstruktur der gesamten Region nicht in der Lage ist, Spiele zu beherbergen und seine 7 Spiele verloren hat (inkl zwei der Qualifikationsspiele nach der Vorrunde, die einzigen die die All Blacks auf die Suedinsel verschlagen haette).
Warum das Ganze? Wie schon erwaehnt, Auckland ist die groesste Stadt in Neuseeland und kann die Menschenmassen besser aufnehmen. Eine weiterer Grund kommt aber noch hinzu. Geld. Die All Blacks Spiele sind alle ausverkauft, weil die Kiwis natuerlich ihr Team sehen wollen. Da kann man bei groesseren Stadien natuerlich mehr Geld machen. Hinzu kommt, dass die Spiele der All Blacks alle praktischerweise entweder an einem Freitag oder am Wochenende stattfinden, wo die meisten Kiwis auch Zeit haben; entweder fuers Stadium oder fuers Fernsehen. Da laesst sich mit Werbung auch ein Vermoegen machen. Kleinere Laender wie Samoa haben sich inzwischen ueber die Termine aufgeregt und sich beschwert, warum manche Teams mehr Vorbereitungszeit vor ihren Spielen haben als andere. Begruendung im Fernsehen: Die Terminvergabe haengt von mehreren Faktoren ab, unter anderem auch dem Verkauf von Spielrechten an die uebertragenden Sender und optimalen Sendezeiten. Ach ja, ich vergass zu erwaehnen, ein weiterer Aufreger. Waehrend man in Deutschland bei Sportereignissen wirklich alles zu sehen bekommt und das entweder im oeffentlich rechtlichen oder bei den Privatsendern kann man hier die Spiele nur beim Bezahlsender Sky anschauen. Im freien TV gabs nur das Eroeffnungsspiel (zeitgleich) und einige andere (2 Stunden zeitversetzt). Auch sonst kaum Sondersendungen zum Thema Rugby, man geht halt davon aus, dass jeder Sky hat. Wenn man an den Ergebnissen interessiert ist, muss man halt die News schauen, da gibt es dann ne Zusammenfassung des Tages. Naja, die News hier sind sowieso der Witz, anstatt internationaler Belange wird hier lieber Videobeweismaterial diskutiert, dass den verheirateten Kapitaen der englischen Rugby Mannschaft in einer Queenstown Bar in Flagranti mit einer heissen Blondine zeigt. Ja das ist wirklich wichtig und macht die internationalen News in Neuseeland!
Ich haette mir liebend gern soviele Spiele wie moeglich angeschaut, schliesslich bin ich hier vor Ort und es gibt keine Zeitverschiebung zu beachten. Aber denkste, man kriegt ja kaum was mit. Wie damals in Kanada, wo ich mich von Leuten in Deutschland ueber den Stand der Dinge informieren lassen musste, weil in Kanada immer nur dann etwas uebertragen wird, wenn ein Kanadier am Wettbewerb teilnimmt (egal wie schlecht er ist). Was mich hier wirklich wuetend macht, ist dass bei all dem Trubel der Sinn fuer den Sport total abhanden gekommen ist. Da hilft es nicht, dass ich in der Zeitung einen euphorischen Artikel ueber die Spiele in Dunedin lese und wieviele internationale Besucher und somit Geld in die Kassen geflossen sind. Ach ja, die tolle Atmosphaere wurde auch mal kurz erwaehnt und dass sich die internationalen Besucher soviel besser zu benehmen wissen als die meisten Kiwis. Vielleicht liegts daran, dass das Bier einfach zu teuer ist.
Hier in Milford haben wir mal fuer ein oder zwei Wochen was vom Rugby World Cup gespuert, als vorallem all die Leute aus Schottland, Argentinien und Georgien bei uns auf den Booten auftauchen, da sie zwischen den Spielen ihrer Teams den Sueden des Landes erkunden wollten. Es finden nur noch 2 weitere Spiele in Dunedin statt und das wars fuer uns im Sueden; damit werden dann wohl auch die kurzfristigen Besucherstroeme abmagern. Generell sind weniger Leute im Land, als man sich das erhofft hatte, aber das haben sich die Kiwis selbst zuzuschreiben. Die Preise fuer Unterkuenfte sind wahnsinnig nach oben gegangen und viele Reiseunternehmen haben ihre Reisen fuer die Zeit waehrend des World Cups abgesagt, weil sie keine bezahlbaren Unterkuenfte finden konnten. Auch das ist nichts neues, das war in Vancouver damals genauso, Hotelbetten waren teilweise 5 -der 6 mal so teuer wie sonst und einige Vermieter kuendigten sogar ihren Mietern, weil sie hofften, kurzfristige Mieter fuer die Winterspiele zu dreimal so hohen Mieten in ihren Apartments unterzukriegen. Geld regiert die Welt und es macht die Menschen korrupt!
Ach ja und eine Sache bringt mich immer zum Schmunzeln und neuerdings zum Augenrollen. Wenn man all die Hakas sieht, die da nicht erst seit ein paar Wochen ueberall aufgefuehrt werden, koennte man meinen, die Mehrzahl der Einwohner sei Maori. Sind sie aber gar nicht, Maori ist zwar ein wichtiger Bestandteil der neuseelaendischen Kultur, aber es gibt noch viele andere Einfluesse, vorallem aus Europa und Asien. Dennoch herrscht der weitverbreitete Glaube, dass man einen Haka auffuehren muss, um Nationalstolz zu zeigen. Nicht Maori Kiwis schuetteln schon genervt mit dem Kopf und als wir hier im kleinen Kreis die Eroeffnungsfeier und Festigkeiten in Auckland im Fernsehen verfolgten und alle naselang irgendwo ein Haka aufgefuehrt wurde, machten wir uns einen Spass darauf und meinten nur "ach schau, schon wieder einer!". Tage spaeter wird in Christchurch eine vom Erdbeben stark beschaedigte Schule wiedereroeffnet und bevor die Schueler die Schule betreten, fuehren sie erstmal einen Haka auf. Was das zu bedeuten hat, weiss wahrscheinlich keiner, aber das ist gerade in Mode gekommen. Mich nervts, aber mich fragt ja keiner!
Nach all der negativen Schreiberei moechte ich abschliessend nur sagen, dass ich hinter den All Blacks stehe und hoffe, dass sie den World Cup gewinnen. Wenn sie verlieren sollten, moechte ich gern irgendwo Urlaub machen, denn diese Stimmung will ich ehrlich gesagt nicht hautnah erleben. Die Erwartungen sind hoch, meiner Meinung nach zu hoch, und manchmal kann man den Leuten eben nicht geben, was sie sich alle so sehr wuenschen. Ja die All Blacks sind gut, aber es braucht nur ein paar Fehler oder ein gegnerisches Team in besserer Tagesform und schon ist es passiert. Obwohl ich hoffe, dass wir nicht wieder gegen die Australier gewinnen; gegen die haben wir erst vor ein paar Wochen den Bredisloe Cup verloren und das tat weh!