Monday, May 12, 2014

Berlin ist immer eine Reise wert!




Von einigen treuen Lesern bekomme ich hin und wieder Nachfragen bezüglich der geringen Auslastung meines Blogs mit Reiseberichten und dem muss ich leider zustimmen. Aber ich bin nicht mehr in Neuseeland wo ich alle 14 Tage mit 4 freien Tagen ausgestattet mal eine kleine Reise unternehmen konnte und meine Kamera auf Hochtouren laufen ließ. Die Zeiten sind leider vorbei und so muss eben auch ich mich dem Diktat der Arbeitswelt unterwerfen und mit dem geringen Urlaub auskommen, der mir gewährt wird (einschließlich finanzieller Mittel). Aber (und hier gibt es endlich mal ein ABER), zu Ostern ergab sich die wunderbare Gelegenheit, die freien Tage zu nutzen und mich für einen Kurztrip nach Berlin aufzumachen. 

Vereist wurde mit Meliana (die per Flieger aus London anreiste) und Katrin, die sich mit mir in das Abenteuer Fernreisebus stürzte. Von Würzburg aus ging es über Suhl/Zella-Mehlis (kleiner Stopp in der Heimat) in einer 6 stündigen Busfahrt einschließlich möglicher Stauumfahrungen problemlos nach Berlin. Da wir in Deutschland noch keines der wie Pilze aus dem Boden spriesenden Busangebote in Anspruch genommen hatten, wussten wir nicht was uns erwarten würde, können aber zumindest den Fernreisebus guten Gewissens weiter empfehlen. Außerdem haben wir in Sachen Busfahrten schon ganz andere Sachen erlebt und sind uns darüber einig, dass kein deutscher Anbieter jemals diese Todesangst und Unbequemlichkeit verursachen kann, die damals in Vietnam unsere Begleiter waren. 

Einen genauen Abriss meines von Sightseeing, Fotografieren und Schlemmen geprägten Ausflugs möchte ich Euch ersparen, dürfte er doch wie eine langweilige Aufzählung von Busfahrten von A nach B, dem Vermeiden der Touristenmassen und dem beim Fotografieren bei Nacht miteinhergehenden Beine in den Bauch stehen klingen. Viel lieber möchte ich mich dem Thema widmen, wie und ob sich Berlin verändert hat. 2004 war ich das letzte Mal in Berlin und mir ist sofort aufgefallen, dass sich die Hauptstadt in Sachen Besucherzahlen stark gesteigert hat. Sicher, in Berlin ist immer was los und das war damals so wie heute, aber ich kann mich nicht daran erinnern, so extrem viele Leute vor dem Reichstag oder dem Brandenburger Tor gesehen zu haben. Aber vielleicht haben sie mich nur diesmal mehr gestört bei dem Versuch ein Bild unserer Ikonen ohne ein Dutzend fremder Leute auf dem Bild zu bekommen. Gab es auf dem Kurfürstendamm schon immer so viele Souvenirläden oder hat sich die Shoppingmeile erst in den letzten Jahren an Touristenwünsche und deren Geldbeutel angepasst? 

Wird unsere Geschichte und die Teilung Deutschlands heute gnadenloser vermarktet als vor ein paar Jahrzehnten, weil man gemerkt hat, dass man ahnungslosen Touristen oder diejenigen die glauben, ein bisschen deutsche Geschichte zu kennen nur ein (wahrscheinlich nicht mal echtes) Stück Berliner Mauer präsentieren muss um sie mit dem Gefühl „etwas gesehen und abfotografiert zu haben“ abzuspeisen? Um sie dann geschickt gleich zum nächsten Souvenirladen zu lenken und ihnen dort angeblich authentische Stücke der Mauer zu verkaufen (übrigens Made in China, wie echt wird das wohl sein?!). 

Checkpoint Charlie und der damit verbundene ehemalige Grenzübergang zwischen Ost und West war schon immer sehr beliebt bei den Besuchern. Fürs gemeinsame Foto mit dem Grenzposten zahlt man inzwischen 1 Euro, was die meisten Touristen nicht weiter stören wird, schließlich hat man sich als Ausländer auch an die ungewöhnliche Sitte gewöhnt, für ein deutsches öffentliches Klo eine Gebühr berappen zu müssen. Diejenigen, die sich das Geld lieber für gestellte Fotos oder Souvenirs aufsparen, belagern lieber die Toiletten der ansässigen Fast-Food-Ketten, wo man schon mal geschlagene 10 Minuten für eine freie Toilette anstehen muss. Zugegeben, vielleicht war ich von dem ganzen Mauer Tourismus nur deswegen so genervt, weil unsere Begleitung Meliana so erpicht auf Mauer Fotos war, aber wenn man mit der Mauer gelebt hat  und von ihr ein- oder ausgesperrt war (je nach Sichtweise) dann sieht man diesen Tourismus mit etwas anderen Augen. 

Ein sehr empfehlenswertes, sogar kostenloses, Unterfangen ist eine Führung durch die Glaskuppel des Reichstages. Wer seine Reise weit im Voraus planen kann sollte die Führung mindestens einen Monat im Voraus online buchen und kann sich die Warterei vor Ort sparen. Wir hatten dies leider verpasst und so standen wir geschlagene 2,5 Stunden in der Schlange, um uns für eine Führung durch die Kuppel zu registrieren. Dabei wählt man Datum und Uhrzeit der Führung selbst aus (auch mehrere Tage im Voraus möglich). Die ganze Warterei hätten wir sicher auch in 2 Stunden oder noch weniger absolvieren können, hätte sich die eine der beiden Mitarbeiterinnen nur etwas motivierter an ihre Arbeit gemacht, anstatt minutenlang auf ihren Bildschirm zu starren aber vielleicht sollte ich ihr das nicht verübeln. Wer weiß wie ich mich dabei fühlen würde, müsste ich diesen Job tagein und tagaus erledigen. Egal, die Führung war informativ und dank der ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellten Audio Guides auch sehr individuell und ans eigene Tempo ausgerichtet. Und die Aussicht sicher nicht zu vergleichen mit dem der Siegessäule (meine Lunge bedankte sich sehr für den Aufstieg wie übrigens auch meine Beine) oder des Fernsehturmes (fiel für uns aufgrund der ebenfalls langen Wartezeit aus) aber dennoch sehenswert. Und wenn man bedenkt, dass man für all dies nichts bezahlt (nicht mal fürs Klo!) kann man dies vor allem als Familie gern auf die Aktionsliste setzen, um den Geldbeutel zu schonen. Eine klaustrophobische Veranlagung ist beim Fahren mit dem Aufzug mit knapp 50 anderen Leuten allerdings  weniger hilfreich und könnte zu Komplikationen führen. Es sei denn man hat das Glück eine weniger gut besuchte Führung zu erwischen.  

Ebenfalls von Touristenmassen überschwemmt zeigte sich Sanssouci (französisch für "ohne Sorgen"), welches im Auftrag von Friedrich dem Großen in Potsdam erbaut wurde. Nun ja, Ostersonntag war sicher nicht die beste Zeit für einen Besuch, aber was soll man machen, wenn die Zeit knapp ist? Da wir mit dem Zug aus Berlin angereist waren, begannen wir bei dem weniger bekannten Palais und machten uns durch die großzügig angelegte Parkanlage und die Orangerie auf den Weg zum Schloss. Nach der Orangerie gelangten wir zum Parkplatz, wo leider die Tour Busse ihre Insassen abladen und dort begann der eigentliche Wahnsinn. Erstmal gibt es dort nur einen sehr kleinen Komplex mit Toiletten, der vielleicht für die Besucherzahlen vor 20 Jahren ausreichend war, aber nicht mehr für die täglich Tausend Leute, die sich dort die Klinge in die Hand geben. Generell gibt es auf dem ganzen Schlossgelände viel  zu wenig Toiletten und diesem Umstand sollten sich die Verantwortlichen dringend annehmen, um nicht an Attraktivität einzubüßen. Nachdem ich auf unserem Rückweg zum Bahnhof bereits 15 Minuten bei einer Toilette angestanden hatte und es leider nur im Schneckentempo voranging, nutzte ich ganz frech das Männerklo, sonst wären vielleicht nochmal 10  Minuten hinzugekommen. Und da befanden wir uns noch nicht mal in der Hauptsaison, was machen die nur im Sommer?!

Von der Orangerie ist es nur ein kurzer Spaziergang zum eigentlichen Schloss Sanssouci und wer es jemals schafft, ohne Tricks und fremde Hilfe (abgesperrter Park oder ähnliches) ein Foto ohne andere Leute zu erhaschen verdient den Titel Genie (oder hat ein super timing). Um den Brunnen sieht es nicht besser aus und irgendwann hat man einfach keine Lust mehr auf all die Menschenmassen. Mein letztes Mal in Sanssouci irgendwann in den späten 90er Jahren verlief definitiv ruhiger.


Was gibt es sonst noch über Berlin zu sagen? Das Herumkommen ist einfach und mit einem Tagesticket für 6,70 (Zonen A und B) auch nicht besonders teuer. Sightseeing Busse (die berühmten hopp on- hopp off Busse) gibt es zur Genüge für 20 bis 30 Euro und je nach Anbieter mit zusätzlichen Angeboten. Wir sparten uns allerdings das Geld und folgten einem Tipp aus dem Internet, wonach die Linien 100 und 200 an fast allen Sehenswürdigkeiten vorbeifahren und ein 20 Euro ticket unnötig machen. Um einen Geheimtipp handelt es sich dabei nicht, macht Euch also auf volle Busse gefasst und schnell ist es aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens auch nicht immer, aber man sieht was von Berlin. Wenn es schneller gehen soll, steigt man in die U-Bahn um, die schnell von A nach B gelangt. Das System ist einfach und gut ausgeschildert, man kann also nicht verloren gehen. Außer am Potsdamer Platz, da ist die Verbindung von S-Bahn zu U-Bahn recht umständlich und mit langen Laufwegen verbunden. Wenn man es einrichten kann, sollte man das Umsteigen dort vermeiden. 

Kulinarisch betrachtet streiten sich in Berlin die Geister. Sicher, 5 Sterne Restaurants gibt es dort auch und wenn man den nötigen Geldbeutel hat und sich nicht wie ein Alien fühlt, kann man dort gerne essen. Ernährt haben wir uns wie das der typische Tourist tut; Currywurst, Döner und Amerikanisches Diner mit leckerem Hamburger. Bei den Kilometern, die wir zurückgelegt haben, war das nicht wirklich dramatisch. Katrin und Meliana speisten außerdem im DDR-Restaurant (http://www.ddr-restaurant.de/), während ich lieber mit meiner Kamera die Gegend unsicher machte. Über die Speisekarte des Restaurants kann ich also nicht viel sagen, außer dass ich den Gedanken nicht mag, dass man das Essen der ehemaligen DDR als so grundverschieden und anders als zur BRD darstellen muss, dass man es gleich in einem eigenen Restaurant thematisieren muss. In der ehemaligen DDR gab es viele Lebensmittel nicht, weil entweder das Geld dafür nicht vorhanden war oder aber weil diese in der DDR produzierten Lebensmitteln ins Ausland (auch in die BRD) für dringend benötigte Devisen verkauft wurden. Wir haben das Beste aus der Situation gemacht und wussten sicherlich viele heute ganz selbstverständliche Lebensmittel damals mehr zu schätzen. Wer würde sich heutzutage schon stundenlang für Bananen oder Erdbeeren anstellen? 

Abschließend kann ich nur sagen, dass ich mich durch diesen Berlin Besuch wieder ein bisschen mehr selbst kennengelernt habe. Ich war Tourist in so vielen andere Ländern und stark bereisten Städten und habe diese als Fremde des jeweiligen Landes kennengelernt. In Berlin fühlte ich mich nicht fremd, ich fühlte mich dazugehörend, sogar als Teil der dort ausverkauften Geschichte, da ich den Mauerfall zwar nicht vor Ort aber dennoch im Geiste miterlebt habe. Ich beobachte die Touristen und frage mich, was in ihren Köpfen vorgeht und ob sie die Ereignisse um den Mauerfall jemals richtig einordnen und verstehen können, was dies für uns in Deutschland bedeutete und noch immer bedeutet. Ich war erstaunt und zugleich erleichtert über die schwach erscheinende Präsenz von Polizei am Reichstag – auch dies habe ich schon anders erlebt. Ist dies ein gutes Zeichen dafür, dass wir uns in Deutschland in Sicherheit wiegen können oder ist es naiv zu glauben, dass uns nichts passieren kann? Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass man Sicherheitsleute nicht sehen muss und sie trotzdem präsent sein können, geschickt und ungesehen im Hintergrund agieren und trotzdem gute Arbeit leisten. Wollen wir hoffen, dass wir in Deutschland nie vom Gegenteil überzeugt werden. 

Und ich musste an die Menschen in der Ukraine denken, die momentan im Osten für eine Abgrenzung vom Rest des Landes kämpfen. Wofür stehen diese Leute und ist ihnen wirklich bewusst, was es heißt, ein Land zu teilen, seine Menschen voneinander zu trennen, manchmal Familien auseinanderzureißen? Ein Land zu teilen ist einfach, es später wieder zu einen, ist eine viel schwierigere Aufgabe, an der auch wir Deutschen noch lange zu arbeiten haben.