Von einigen treuen Lesern bekomme ich hin und wieder
Nachfragen bezüglich der geringen Auslastung meines Blogs mit Reiseberichten
und dem muss ich leider zustimmen. Aber ich bin nicht mehr in Neuseeland wo ich
alle 14 Tage mit 4 freien Tagen ausgestattet mal eine kleine Reise unternehmen
konnte und meine Kamera auf Hochtouren laufen ließ. Die Zeiten sind leider
vorbei und so muss eben auch ich mich dem Diktat der Arbeitswelt unterwerfen
und mit dem geringen Urlaub auskommen, der mir gewährt wird (einschließlich
finanzieller Mittel). Aber (und hier gibt es endlich mal ein ABER), zu Ostern
ergab sich die wunderbare Gelegenheit, die freien Tage zu nutzen und mich für
einen Kurztrip nach Berlin aufzumachen.
Vereist wurde mit Meliana (die per Flieger aus London
anreiste) und Katrin, die sich mit mir in das Abenteuer Fernreisebus stürzte.
Von Würzburg aus ging es über Suhl/Zella-Mehlis (kleiner Stopp in der Heimat)
in einer 6 stündigen Busfahrt einschließlich möglicher Stauumfahrungen
problemlos nach Berlin. Da wir in Deutschland noch keines der wie Pilze aus dem
Boden spriesenden Busangebote in Anspruch genommen hatten, wussten wir nicht
was uns erwarten würde, können aber zumindest den Fernreisebus guten Gewissens
weiter empfehlen. Außerdem haben wir in Sachen Busfahrten schon ganz andere
Sachen erlebt und sind uns darüber einig, dass kein deutscher Anbieter jemals
diese Todesangst und Unbequemlichkeit verursachen kann, die damals in Vietnam
unsere Begleiter waren.
Einen genauen Abriss meines von Sightseeing,
Fotografieren und Schlemmen geprägten Ausflugs möchte ich Euch ersparen, dürfte
er doch wie eine langweilige Aufzählung von Busfahrten von A nach B, dem
Vermeiden der Touristenmassen und dem beim Fotografieren bei Nacht
miteinhergehenden Beine in den Bauch stehen klingen. Viel lieber möchte ich
mich dem Thema widmen, wie und ob sich Berlin verändert hat. 2004 war ich das
letzte Mal in Berlin und mir ist sofort aufgefallen, dass sich die Hauptstadt
in Sachen Besucherzahlen stark gesteigert hat. Sicher, in Berlin ist immer was
los und das war damals so wie heute, aber ich kann mich nicht daran erinnern,
so extrem viele Leute vor dem Reichstag oder dem Brandenburger Tor gesehen zu
haben. Aber vielleicht haben sie mich nur diesmal mehr gestört bei dem Versuch
ein Bild unserer Ikonen ohne ein Dutzend fremder Leute auf dem Bild zu
bekommen. Gab es auf dem Kurfürstendamm schon immer so viele Souvenirläden oder
hat sich die Shoppingmeile erst in den letzten Jahren an Touristenwünsche und
deren Geldbeutel angepasst?
Wird unsere Geschichte und die Teilung Deutschlands heute
gnadenloser vermarktet als vor ein paar Jahrzehnten, weil man gemerkt hat, dass
man ahnungslosen Touristen oder diejenigen die glauben, ein bisschen deutsche
Geschichte zu kennen nur ein (wahrscheinlich nicht mal echtes) Stück Berliner
Mauer präsentieren muss um sie mit dem Gefühl „etwas gesehen und abfotografiert
zu haben“ abzuspeisen? Um sie dann geschickt gleich zum nächsten Souvenirladen
zu lenken und ihnen dort angeblich authentische Stücke der Mauer zu verkaufen
(übrigens Made in China, wie echt wird das wohl sein?!).
Checkpoint Charlie und
der damit verbundene ehemalige Grenzübergang zwischen Ost und West war schon
immer sehr beliebt bei den Besuchern. Fürs gemeinsame Foto mit dem Grenzposten
zahlt man inzwischen 1 Euro, was die meisten Touristen nicht weiter stören
wird, schließlich hat man sich als Ausländer auch an die ungewöhnliche Sitte
gewöhnt, für ein deutsches öffentliches Klo eine Gebühr berappen zu müssen.
Diejenigen, die sich das Geld lieber für gestellte Fotos oder Souvenirs
aufsparen, belagern lieber die Toiletten der ansässigen Fast-Food-Ketten, wo
man schon mal geschlagene 10 Minuten für eine freie Toilette anstehen muss.
Zugegeben, vielleicht war ich von d
em ganzen Mauer Tourismus nur deswegen so
genervt, weil unsere Begleitung Meliana so erpicht auf Mauer Fotos war, aber
wenn man mit der Mauer gelebt hat und
von ihr ein- oder ausgesperrt war (je nach Sichtweise) dann sieht man diesen
Tourismus mit etwas anderen Augen.
Ein sehr empfehlenswertes, sogar kostenloses, Unterfangen
ist eine Führung durch die Glaskuppel des Reichstages. Wer seine Reise weit im
Voraus planen kann sollte die Führung mindestens einen Monat im Voraus online
buchen und kann sich die Warterei vor Ort sparen. Wir hatten dies leider
verpasst und so standen wir geschlagene 2,5 Stunden in der Schlange, um uns für
eine Führung durch die Kuppel zu registrieren. Dabei wählt man Datum und
Uhrzeit der Führung selbst aus (auch mehrere Tage im Voraus möglich). Die ganze
Warterei hätten wir sicher auch in 2 Stunden oder noch weniger absolvieren
können, hätte sich die eine der beiden Mitarbeiterinnen nur etwas motivierter
an ihre Arbeit gemacht, anstatt minutenlang auf ihren Bildschirm zu starren
aber vielleicht sollte ich ihr das nicht verübeln. Wer weiß wie ich mich dabei
fühlen würde, müsste ich diesen Job tagein und tagaus erledigen. Egal, die
Führung war informativ und dank der ebenfalls kostenlos zur Verfügung
gestellten Audio Guides auch sehr individuell und ans eigene Tempo
ausgerichtet. Und die Aussicht sicher nicht zu vergleichen mit dem der
Siegessäule (meine Lunge bedankte sich sehr für den Aufstieg wie übrigens auch
meine Beine) oder des Fernsehturmes (fiel für uns aufgrund der ebenfalls langen
Wartezeit aus) aber dennoch sehenswert. Und wenn man bedenkt, dass man für all
dies nichts bezahlt (nicht mal fürs Klo!) kann man dies vor allem als Familie
gern auf die Aktionsliste setzen, um den Geldbeutel zu schonen. Eine
klaustrophobische Veranlagung ist beim Fahren mit dem Aufzug mit knapp 50
anderen Leuten allerdings weniger
hilfreich und könnte zu Komplikationen führen. Es sei denn man hat das Glück
eine weniger gut besuchte Führung zu erwischen.
Ebenfalls von Touristenmassen überschwemmt zeigte sich Sanssouci
(französisch für "ohne Sorgen"), welches im Auftrag von Friedrich dem
Großen in Potsdam erbaut wurde. Nun ja, Ostersonntag war sicher nicht die beste
Zeit für einen Besuch, aber was soll man machen, wenn die Zeit knapp ist? Da
wir mit dem Zug aus Berlin angereist waren, begannen wir bei dem weniger
bekannten Palais und machten uns durch die großzügig angelegte Parkanlage und
die Orangerie auf den Weg zum Schloss. Nach der Orangerie gelangten wir zum
Parkplatz, wo leider die Tour Busse ihre Insassen abladen und dort begann der
eigentliche Wahnsinn. Erstmal gibt es dort nur einen sehr kleinen Komplex mit
Toiletten, der vielleicht für die Besucherzahlen vor 20 Jahren ausreichend war,
aber nicht mehr für die täglich Tausend Leute, die sich dort die Klinge in die
Hand geben. Generell gibt es auf dem ganzen Schlossgelände viel zu wenig Toiletten und diesem Umstand sollten
sich die Verantwortlichen dringend annehmen, um nicht an Attraktivität
einzubüßen. Nachdem ich auf unserem Rückweg zum Bahnhof bereits 15 Minuten bei
einer Toilette angestanden hatte und es leider nur im Schneckentempo voranging,
nutzte ich ganz frech das Männerklo, sonst wären vielleicht nochmal 10 Minuten hinzugekommen. Und da befanden wir
uns noch nicht mal in der Hauptsaison, was machen die nur im Sommer?!
Von der Orangerie ist es nur ein kurzer Spaziergang zum
eigentlichen Schloss Sanssouci und wer es jemals schafft, ohne Tricks und
fremde Hilfe (abgesperrter Park oder ähnliches) ein Foto ohne andere Leute zu
erhaschen verdient den Titel Genie (oder hat ein super timing). Um den Brunnen
sieht es nicht besser aus und irgendwann hat man einfach keine Lust mehr auf
all die Menschenmassen. Mein letztes Mal in Sanssouci irgendwann in den späten
90er Jahren verlief definitiv ruhiger.
Was gibt es sonst noch über Berlin zu sagen? Das
Herumkommen ist einfach und mit einem Tagesticket für 6,70 (Zonen A und B) auch
nicht besonders teuer. Sightseeing Busse (die berühmten hopp on- hopp off
Busse) gibt es zur Genüge für 20 bis 30 Euro und je nach Anbieter mit
zusätzlichen Angeboten. Wir sparten uns allerdings das Geld und folgten einem
Tipp aus dem Internet, wonach die Linien 100 und 200 an fast allen
Sehenswürdigkeiten vorbeifahren und ein 20 Euro ticket unnötig machen. Um einen
Geheimtipp handelt es sich dabei nicht, macht Euch also auf volle Busse gefasst
und schnell ist es aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens auch nicht immer, aber
man sieht was von Berlin. Wenn es schneller gehen soll, steigt man in die
U-Bahn um, die schnell von A nach B gelangt. Das System ist einfach und gut
ausgeschildert, man kann also nicht verloren gehen. Außer am Potsdamer Platz,
da ist die Verbindung von S-Bahn zu U-Bahn recht umständlich und mit langen
Laufwegen verbunden. Wenn man es einrichten kann, sollte man das Umsteigen dort
vermeiden.
Kulinarisch betrachtet streiten sich in Berlin die
Geister. Sicher, 5 Sterne Restaurants gibt es dort auch und wenn man den
nötigen Geldbeutel hat und sich nicht wie ein Alien fühlt, kann man dort gerne
essen. Ernährt haben wir uns wie das der typische Tourist tut; Currywurst,
Döner und Amerikanisches Diner mit leckerem Hamburger. Bei den Kilometern, die
wir zurückgelegt haben, war das nicht wirklich dramatisch. Katrin und Meliana
speisten außerdem im DDR-Restaurant (http://www.ddr-restaurant.de/),
während ich lieber mit meiner Kamera die Gegend unsicher machte. Über die
Speisekarte des Restaurants kann ich also nicht viel sagen, außer dass ich den
Gedanken nicht mag, dass man das Essen der ehemaligen DDR als so
grundverschieden und anders als zur BRD darstellen muss, dass man es gleich in
einem eigenen Restaurant thematisieren muss. In der ehemaligen DDR gab es viele
Lebensmittel nicht, weil entweder das Geld dafür nicht vorhanden war oder aber
weil diese in der DDR produzierten Lebensmitteln ins Ausland (auch in die BRD)
für dringend benötigte Devisen verkauft wurden. Wir haben das Beste aus der
Situation gemacht und wussten sicherlich viele heute ganz selbstverständliche
Lebensmittel damals mehr zu schätzen. Wer würde sich heutzutage schon
stundenlang für Bananen oder Erdbeeren anstellen?
Abschließend kann ich nur sagen, dass
ich mich durch diesen Berlin Besuch wieder ein bisschen mehr selbst
kennengelernt habe. Ich war Tourist in so vielen andere Ländern und stark
bereisten Städten und habe diese als Fremde des jeweiligen Landes
kennengelernt. In Berlin fühlte ich mich nicht fremd, ich fühlte mich
dazugehörend, sogar als Teil der dort ausverkauften Geschichte, da ich den
Mauerfall zwar nicht vor Ort aber dennoch im Geiste miterlebt habe. Ich
beobachte die Touristen und frage mich, was in ihren Köpfen vorgeht und ob sie
die Ereignisse um den Mauerfall jemals richtig einordnen und verstehen können,
was dies für uns in Deutschland bedeutete und noch immer bedeutet. Ich war
erstaunt und zugleich erleichtert über die schwach erscheinende Präsenz von
Polizei am Reichstag – auch dies habe ich schon anders erlebt. Ist dies ein
gutes Zeichen dafür, dass wir uns in Deutschland in Sicherheit wiegen können
oder ist es naiv zu glauben, dass uns nichts passieren kann? Ich tröste mich
mit dem Gedanken, dass man Sicherheitsleute nicht sehen muss und sie trotzdem
präsent sein können, geschickt und ungesehen im Hintergrund agieren und
trotzdem gute Arbeit leisten. Wollen wir hoffen, dass wir in Deutschland nie
vom Gegenteil überzeugt werden.
Und ich musste an die Menschen in der Ukraine denken, die
momentan im Osten für eine Abgrenzung vom Rest des Landes kämpfen. Wofür stehen
diese Leute und ist ihnen wirklich bewusst, was es heißt, ein Land zu teilen,
seine Menschen voneinander zu trennen, manchmal Familien auseinanderzureißen?
Ein Land zu teilen ist einfach, es später wieder zu einen, ist eine viel
schwierigere Aufgabe, an der auch wir Deutschen noch lange zu arbeiten haben.