Den gesamten Sommer ueber hatte ich diese Cruise bereits im Auge, konnte aber niemanden finden, der das mit mir in den Angriff nehmen wollte. In den letzten Wochen hatte ich meinen Arbeitskollegen Sandra (Mexiko), Tess (Neuseeland) und Pedro (Brasilien) Doubtful schmackhaft gemacht und da wir einige gemeinsame freie Tage haben, war das ganze beschlossene Sache. Ueber Real Journeys bekamen wir einen guten Deal, was ich immer wieder als sehr grosszuegig empfinde, schliesslich arbeiten wir ja fuer die Konkurrenz. Da ich wieder einiges am Laptop zu tun hatte und halbwegs schnelles Internet benoetigte, machte ich mich bereits am Montag auf den Weg nach Te Anau, wo ich mich mit den anderen am Mittwoch traf. Das Abenteuer Doubtful Sound begann dann auch schon mal ganz abenteuerlich, als das Auto nicht anspringen wollte, weil Pedro das Licht hat brennen lassen und die Autobatterie leer war. Und das 11.45 Uhr und 20 Minuten Autofahrt von Manapouri entfernt, wo wir spaetestens 12.10 Uhr einchecken sollten. Wir fragten einige Leute auf dem Supermarkt Parkplatz nach Starterkabeln, aber sowas fuehrt ja heutzutage kaum noch jemand mit sich rum, weil auch keiner mehr weiss, wie sowas funktioniert. Wir liefen zur naechsten Tankstelle und mussten 30 Dollar fuer eine mobile Starteranlage bezahlen (kleine Batterie in Form eines Koffers). Innerhalb von 5 Minuten war das Auto gestartet und wir endlich auf dem Weg nach Manapouri - inzwischen war es 12 Uhr. Wir koennen ganz offiziell bestaetigen, dass man die Strecke auch in 11 Minuten zuruecklegen kann und somit hatten wir genuegend Zeit, um fuer die Cruise zu bezahlen, unsere boarding passes abzuholen und noch 5 Minuten in der Sonne tief einzuatmen und uns auf die bevorstehende Cruise zu freuen.
Doubtful Sound ist nicht so einfach wie der kleinere Bruder Milford Sound zu erreichen. Es gibt zwar eine Strasse nach Deep Cove (der Hafen dort), aber um diese Strasse zu erreichen, muss man eine knapp einstuendige Bootsfahrt ueber den Lake Manapouri ueber sich ergehen lassen. In West Arm angekommen (eine Verzweigung von Lake Manapouri), verlaesst man am Manapouri Stromkraftwerk (ueber den Bau dieses Kraftwerks lief in Deutschland sogar mal eine Doku, die gern ab und zu mal wiederholt wird) das Boot und klettert in einen Bus, der sich die 22km lange Strasse ueber den Wilmot Pass nach Doubtful entlang kaempft. Einem Kampf gleicht die Fahrt die meiste Zeit, denn entweder klettert man enorme Steigungen hinauf und moechte den Bus dabei am liebsten anschieben oder rollt enorme Neigungen herab - immer mit dem schlimmsten rechnend, weil die Busse auch nicht mehr die Neusten sind! Vor mir sass eine deutsche Familie mit zwei kleinen Kindern und der kleine Junge (er wird wohl 3 oder 4 gewesen sein), rief begeistert "Wasserfall" wenn immer er einen erblickte. Selbst Sandra, die kein Deutsch spricht weiss nun, was waterfall auf Deutsch heisst.
In Deep Cove angekommen, betraten wir die "Navigator", unser Zuhause fuer diese Nacht. Bei der Zuteilung der Raeume gab es eine kleine Panne, denn eigentlich waren wir fuer eines der Vierbettzimmer eingebucht. Dummerweise hatten sie keins mehr fuer uns und steckten uns in zwei Zweibettzimmer - diese mit eigenem Bad und Dusche. Da hatten wir selbstverstaendlich nichts dagegen und so teilte ich mir ein Zimmer mit Sandra (Pedro und Tess sind ein Paar und waren wahrscheinlich ganz froh, ein Zimmer fuer sich zu haben). Nach Ablegen des Bootes gabs erstmal Tee/Kaffee und frischgebackene Muffins. Das Wetter war fantastisch und so dauerte es nicht lange, bis sich alle auf den Aussendecks befanden. Da auch kaum Wind wehte, war es draussen herrlich angenehm und alle waren happy.
Hier mal ein paar Fakten zu Doubtful Sound. Doubtful ist der zweitgroesste Fjord in Fiordland und dreimal laenger als Milford Sound (Milford ist mit 14km der kleinste Fiord). Waehrend Milford keine Abzweigungen hat, gibt es in Doubtful drei "Arme" (Hall Arm, Crooked Arm und First Arm) auf der suedlichen Seite des Fiordes. Auf der Nordseite oeffnet sich Doubtful in the Thompson und Bradshaw Fjorde und hat somit noch einen alternativen Zugang zum Tasmanischen Meer (ueber Thompson).
Wir bogen in Crooked Arm ab, wo wir ueber Delfine 'stolperten'. Im Gegensatz zu Milford gibt es in Doubtful eine ansaessige Gruppe von ca. 60 Delfinen (Bottlenose Dolphins), die aber kein grosses Interesse an uns zeigte. Fuer mich sah es so aus, als wuerden sie schlafen. Wenn Delfine schlafen, schalten sie eine Haelfte ihres Gehirns ab und nutzen die andere Haelfte zur Navigation, da sie nicht ruhig im Wasser dahertreiben, sondern recht gemuetlich auf- und abtauchen. Diese regelmaessige Bewegung deutet fast immer auf den Schlafzustand hin. Wir liesen sie also in Ruhe und fuhren etwas tiefer in den abzweigenden Wasserweg ein. Um die Passagiere bei guter Laune zu halten, werden bei den overnight cruises immer Wasseraktivitaeten angeboten. Dabei hat man die Wahl zwischen gemuetlichem Umherfahren im Beiboot, bei dem man selbst nicht viel machen muss, oder etwas aktiverem paddeln im kayak. Wir vier entschieden uns fuers kayaken. Da die Wetter- und Wasserbedingungen hervorragend waren, war das paddeln das reinste Vergnuegen, wenn man mal von den leicht ueberbeanspruchten Armen absieht, die das ganze nicht gewohnt sind. Nach knapp 45 Minuten gings zurueck ins Boot und alle diejenigen, die bei der Hitze den Drang zur Abkuehlung verspuehrten, durften dann noch unter Aufsicht baden gehen. Dabei sollte man bedenken, dass das Wasser im Fjord im Durschnitt nur 11 Grad warm ist (oder kalt, je nach Betrachtsweise). So gegen 17 Uhr gabs "Soup Service" mit zwei leckeren Suppen zur Auswahl, um die Zeit zum Dinner zu ueberbruecken (ich muss dazu sagen, dass man auf diesem Boot nun wirklich nicht verhungert!).
Von Crooked Arm gings zurueck in den Hauptwasserweg und in Richtung Eingang, vorbei an den Abzweigungen fuer Bradshaw und Thompson Sound. Ich bin mir im Klaren darueber, dass der ein oder andere jetzt verwirrt ist, schliesslich habe ich sie vorher als Fjorde bezeichnet und Fjorde sind sie auch. Leider wurden alle 14 Fjorde bei ihrer Entdeckung (und auch spaeter bei Umbenennungen) falsch bezeichnet, weil man frueher den Unterschied zwischen Sunden und Fjorden einfach noch nicht kannte. Milford sollte zum Beispiel Milford Fjord heissen und Doubtful eben Doubtful Fjord, aber man hat die urspruenglichen Bezeichungen beibehalten. Clevere Leute versuchten den Fehler gutzumachen indem sie die ganze Region Fiordland nannten und machten dabei gleich den naechsten Fehler mit der Rechtschreibung - Fjord ist ein norwegisches Wort und wird mit j und nicht mit i geschrieben. Wie auch immer, es ging in Richtung Eingang und in Richtung Tasmanisches Meer. Am Eingang zum Meer befindet sich eine Kolonie von Seeroben (New Zealand Fur Seals) und dort gab es Nachwuchs! Naja, was besonderes ist das eigentlich nicht, denn weibliche Robben sind 300 Tage im Jahr schwanger und sind somit haeufiger mit Nachwuchs als ohne. Fuer uns Milforder war das recht aufregend, weil wir bei uns keine Kolonie haben, sondern nur ausgestossene maennliche Teenager-Seeroben, die eine Gefahr/Konkurrenz fuer den Anfuehrer darstellen und daher von ihren Muettern aus Sicherheitsgruenden 'weggeschickt' werden. Wenn sie alt genug sind, machen sich sich auf den Weg zurueck zur Kolonie und suchen sich bis zu 16 Freundinnen. In Doubtful wie gesagt gibt es Maennlein und Weiblein und daher auch Robben Babies und die sind zum Knuddeln suess. Vorallem wenn sie in einem kleinen Pool schwimmen, springen und sich vergnuegen! Als sie uns entdeckten, kamen einige aus dem Pool geklettert und reihten sich wie eine Perlenkette vor dem Pool auf um zu sehen, was denn 'da draussen' vor sich geht. Bei diesem Anblick war wirklich jeder Passagier begeistert, selbst die hartgesottenen Maenner! Fototechnisch war das ganze eine Herausforderung, denn da wir uns am Eingang zum Meer befanden, war der Wellengang dementsprechend heftig und wenn man sich mit einer Hand am Gelaender festklammern muss, ist das mit dem Stillhalten der Kamera so eine Sache.
Irgendwann gings dann wieder zurueck in den Fjord ueber die Patea Passage (rauswaerts durch den Te Awaatu Channel). Durch die Patea Passage kamen damals auch die ersten Entdecker in den Fjord. Die Entdeckung an sich ist genauso interessant wie die Milfords. Obwohl Seefahrer James Cook den groessten Teil Neuseelands entdeckte und bereits in den 1770er Jahren eine bemerkenswert detailierte Karte des Landes erstellte, verpasste er Doubtful wie auch Milford Sound. Der Eingang zu Milford ist vom Meer aus nicht zu erkennen und James Cook hielt das ganze fuer eine kleine Bucht, in der es sich zu stoppen nicht lohnen wuerde und so segelte er in beiden Entdeckungsfahrten vorbei. Doubtful nannte er 'Doubtfull Harbour" was soviel bedeutet wie zweifelhafter Hafen, da er sich nicht sicher war, ob der Wind ausreichen wuerde, um seine "Endeavour" durch die teilweise engen Passagen zu segeln. Und so segelte er auch hier weiter und konnte Doubtful nicht zu seiner beeindruckenden Liste von Entdeckungen hinzufuegen. Einige Jahre spaeter waren die Spanier unter dem Kommando von Alessandro Malaspina in der Gegend unterwegs und - genauso zweifelnd ueber die Windbedingungen- schickten sie ein Beiboot in den Fjord.
In der Ferne sahen wir kurz ein Dutzend blue penguins (Zwergpinguine) im Wasser umherschwimmen, aber fuer die meisten Leute waren sie viel zu klein, um sie ueberhaupt wahrzunehmen. Es ging zurueck in den Crooked Arm, wo es gegen 19.30 Uhr Abendbrot gab. Eines muss man Real Journeys lassen, ein leckeres Buffet anrichten koennen sie besonders gut. Problem dabei ist die Vielfalt und selbst wenn man von allem nur ein bisschen probiert, ist man nach einer Runde schon pralle voll. Ich verzichtete schlauerweise auf Nachschub, weil ich wusste, dass es die Desserts in sich haben. Auch da wieder grosse Vielfalt (verschiedene Kuchen, Kaese und Cracker) und jeder Kuchen leckerer als der andere. Da Sandra und ich alles probieren wollten, waren wir clever genug, alle Kuchen zu teilen. Da war das schlechte Gewissen etwas beruhigt. Selbst fuer Wein war kein Platz mehr und das soll schon was heissen! Anschliessend praesentierte der nature guide (die schlaue Person, die angeblich alles ueber Fauna, Flora und Fiordland weiss) eine diashow mit Bildern und interessanten Fakten und danach gingen die meisten schon ins Bett. Uns vieren war das viel zu frueh und es zog uns an die frische Luft (vielleicht wuerde das bei der Verdauung helfen...). Draussen war es natuerlich schon stockdunkel, aber der Sternenhimmel zeigte sich mit Milchstrasse und Venus in voller Pracht und so zogen wir mit all unseren Klamotten am Leib und eingewickelt in Decken auf das Aussendeck und betrachteten den Sternenhimmel. Bei der ersten Sternschnuppe waren wir noch aus dem Haeuschen, aber nach Nummer 6 hatten wir all unsere Wuensche mitgeteilt und genossen einfach nur noch den Anblick. Ich war mehr als sauer auf mich, da ich vor dem Trip lange ueberlegt hatte, mein Stativ mitzunehmen und mich dagegen entschieden hatte - ein Fehler, denn die Bilder vom Sternenhimmel waeren fantastisch geworden!
Gegen 24 Uhr waren wir durchgefroren und gingen ins Bett. Auf dem Boot und im Fjord war es so ruhig, dass man morgens ewig haette schlafen koennen, wenn sie nicht gegen 6 Uhr den Generator angestellt haetten (fuer die Duschen, die Kueche usw). Fruehstueck gabs zwischen 7 und 8 Uhr und wir wurden bereits am Vortag davor gewarnt, zu spaet zum Fruehstueck zu erscheinen, denn Punkt 8 Uhr wuerde alles weggeraeumt werden. Wir Maedels hatten damit kein Problem, aber Pedro ist ein absoluter Morgenmuffel und musste von Tess aus dem Bett gekoedert werden. Am Tisch schlief er dann fast wieder ein. Auch am Morgen muss nicht gehungert werden, denn die Auswahl an Continentalem und warmen Fruehstueck ist gross. Mich hielt es nicht lange am Tisch, denn draussen ging langsam die Sonne auf und obwohl es noch schweinekalt war, war ich die meiste Zeit draussen. Auf dem Morgenprogramm stand "Hall Arm' , eine der Verzweigungen im Fjord und mein Lieblings"arm", da er durch seine Enge und hohen Felswaende stark an Milford erinnert. An vielen Stellen spiegelten sich die Berge im Wasser und die aufgehende Sonne tauchte die Bergspitzen in warme Farbtoene. Am Ende von Hall Arm angekommen, schaltete der Skipper die Motoren und Generatoren aus und ausser Vogelgezwitscher, Wasserrauschen und dem Plaetschern des Wassers war absolut nichts zu hoeren (naja, vielleicht der Ausloeser meiner Kamera...). Diese paradisische Stille konnte nicht fuer immer anhalten und so wurden die Motoren nach 5 Minuten wieder angeschaltet und es ging zurueck zum Hafen, wo wir gegen 10 Uhr anlegten.
Es ging zurueck in den Bus und dieser aechzte die Steigung hinauf zum Wilmot Pass und dann hinunter zum West Arm, wo bereits das Boot auf uns wartete. Obwohl es noch frueh am Morgen war, schienen alle Passagiere etwas muede zu sein, was wohl an den vielen Eindruecken und am uebermaessigem Lebensmittelkonsum lag. Zurueck in Manapouri verliesen wir uebergluecklich das Boot, fuhren diesmal ganz gemuetlich zurueck nach Te Anau, wo wir unsere Einkaeufe erledigten und Mittag assen und dann gings auch schon wieder zurueck nach Milford.
Ich persoenlich sehe Milford Sound immer mit anderen Augen, wenn ich Doubtful Sound besucht habe. Eine beliebte Frage von Touristen ist, welcher Fjord nun 'besser' oder 'schoener' sei. So einfach kann man diese Frage nicht beantworten und dies wird den beiden auch nicht gerecht. Sie sind beide schoen, spektakulaer, atemberaubend und einzigartig; jeder auf seine eigene Art. Milford ist der kleinste Fjord und somit sehr kompakt, er ist enger (die weiteste Stelle nur 2km breit) und daher wirken die steilen Felswaende noch spektakulaerer. Und natuerlich haben wir hier hier Mitre Peak, neben Mt. Cook und Mt. Taranaki der beruehmteste und meistfotografierte Berg in Neuseeland. Doubtful hingegen besticht durch andere Werte: die meiste Zeit befindet man sich auf dem einzigen Boot oder sieht die anderen Boote nicht, da der Fjord so gross ist. Dazu kommen die vielen Verzweigungen in die verschiedenen Arme, die Doubtful noch spannender machen. Doubtful hat ansaessige Delfine und eine Robbenkolonie, was aber eine Sichtung von Delfinen keineswegs zur sicheren Sache macht, da sie sich auch gerade an einer anderen Stelle im Fjord befinden koennen. Hauptvorteil an Milford ist die einfache Erreichbarkeit ueber die Milford Road, die es Selbstfahrern erlaubt, im eigenen Tempo und nach eigenem Belieben zu ihrer Bootsfahrt zu gelangen. In Doubtful ist man immer auf Real Journeys angewiesen, da man sein Auto nicht mal so einfach ueber Lake Manapouri und dann runter zu Deep Cove fahren kann. Durch die lange Anreise artet Doubtful auch immer in einen kompletten Tagesausflug aus, waehrenddessen man Milford auch noch mit anderen Attraktionen/Aktionen in der Naehe verbinden kann. Und natuerlich ist der ganze Trip auch sehr viel teurer, da man eben fuer das Boot und den Bus extra zahlen muss. Wenn ich einen Tip abgeben muesste, wuerde ich es immer von der verfuegbaren Zeit abhaengig machen. Wenn man genuegend Zeit hat, dann beide Fjorde machen, ansonsten nur Milford und beim Thema overnight ganz klar Doubtful Sound, da man an beiden Tagen sehr viel mehr zu sehen bekommt als in Milford (wo das Boot im Prinzip zweimal die gleiche Cruise macht).
Euer treuer Milford Anhaenger Katja
P.S. Noch ein Wort zur eingefuegten Karte, der eine ungekennzeichnete Arm auf der linken Seite ist Hall Arm, in der Naehe von Deep Cove.
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