Die letzten drei Wochen vergingen wie im Flug und von den Winterspielen selbst habe ich kaum etwas mitbekommen. Bei gerade mal 4 freien Tagen waehrend der letzten 3 Wochen blieb leider auch keine Zeit, die ganz besondere Atmosphaere in Vancouver zu geniessen, Live-Veranstaltungen zu besuchen oder mir Wettkaempfe hautnah anzuschauen. Im Kunstmuseum lief eine Da-Vinci Ausstellung mit kostenlosen Eintritt und die Warteschlange schlaengelte sich mehrmals ums Museum herum. Ins Deutsche Fan Fest (Thueringen Haus) habe ich es nur einmal geschafft, weil sich auch hier Menschenmassen Zutritt erhofften. So erging es mir mit allen anderen Attraktionen. Wenn man waehrend seiner Arbeitszeit schon den ganzen Tag auf den Beinen ist, kann man sich fuer seine freien Tage etwas besseres vorstellen, als stundenlang irgendwo anzustehen. Und naja, Menschenmassen sind mir sowieso immer etwas ungeheuer, deswegen versuche ich sie weitgehens zu vermeiden.
Auf Arbeit war dies natuerlich nicht moeglich und so begruessten wir Hinz und Kunz, durchsuchten ihr Gepaeck und tasteten sie im Ernstfall auch ab, wenn der Alarm des Magnetometers ertoente. Die meisten Menschen nahmens gelassen und bedankten sich sogar fuer unsere gute Arbeit, bedankten sich dafuer, dass wir die Spiele sicher machten. Einige andere verstanden Sinn und Zweck des ganzen leider nicht und meinten, wir wuerden sie nur unnoetig belaestigen. Als Supervisor durfte ich mich auch ab und zu mal anschreien und beleidigen lassen, aber das gehoert dazu. Im Grossen und Ganzen verhielten sich die meisten Menschen hoeflich und es blieb sogar Zeit, fuer das ein oder andere Spaesschen.
Mein letzter Tag auf Arbeit war der letzte Tag der Olympischen Spiele und leider verbrachte ich diesen Tag nicht in einem Portal, in dem wir Gaeste und ihre Habseeligkeiten ueberpruefen, sondern an einem Aussenposten, wo ich mit 4 anderen meiner Leute, 2 Verkehrsueberwachungsleuten und ca. 10 Polizisten (!) sicherstellen musste, dass sich niemand unerlaubt Zutritt zum Canada Hockey Place verschafft. Ganz ehrlich, nur ein lebensmueder Idiot haette versucht, sich an uns vorbeizuschleichen! Aussenposten sind eigentlich ganz lustig, denn man schluepft in die Rolle eines Tourguides und beantwortet alle moeglichen Fragen; wo faehrt der naechste Zug?, wo ist der naechste Starbucks?, wie geht’s zum Casino?, wie geht’s zum Canada Hockey Place?, wann beginnt der Einlass? usw und wuenscht den kanadischen Fans viel Glueck fuer das Spiel des Jahres!
Eine gewissen Nervoesitaet lag in der Luft, obwohl sich die zahlreichen Polizisten nichts anmerken liesen. Trotzallem wurde die Sicherheitsstufe von 3 auf 4 hochgesetzt und einige Privilegien der akkretitierten Belegschaft eingeschraenkt – so durften auch wir an diesem Tag nur noch versiegelte Getraenkeflaschen mit aufs Gelaende bringen. Akute Gefahr bestand wohl keine, aber bei einem Goldmedaillenspiel Kanada gegen die USA und zahlreichen prominenten Zuschauern sowie der Schlussfeier der Olympischen Spiele ist eben erhoehte Sicherheit geboten.
Gluecklicherweise stand mir nur ein kurzer Arbeitstag bevor und noch bevor das Hockey Spiel begann, begab ich mich auf den Nachhauseweg und sah noch kurz Katharina Witt im Canada Hockey Place verschwinden!
Ich telefonierte kurz mit meiner ehemaligen Kollegin Kate und erfuhr, dass sie Karten fuer die Schlussfeier bekommen hatte und mich mitnehmen wollte! An der Bushaltestelle wartend, vernahm ich ploetzlich ein ohrenbetaeubendes Geschrei und Jubel und wusste, dass Kanada in Fuehrung lag! Eile ward geboten, schliesslich wollte ich schnell nach Hause, duschen und noch das Hockey Spiel anschauen. Einige von Euch werden das Spiel vielleicht gesehen haben, koennen sich also vorstellen, dass ich mich kaum vom Fernseher loesen konnte. Als der Krimi endlich vorbei war, brachen in Vancouver alle Daemme und die Leute waren ausser Rand und Band.
Ich musste ja wieder zurueck zum BC Place fuer die Schlussfeier und bahnte mir meinen Weg durch ausgelassen feiernde Menschenmassen. Das rote Ahornblatt wurde in jeder erdenklichen Groesse geschwungen, wildfremde Leute klatschten sich in die Haende, fielen sich um den Hals und sangen Oh Canada (die kanadische Hymne). Wie ich ja bereits in einem frueherem Beitrag erwaehnt habe, war das Hockey Finale das Ziel der Kanadier schlecht hin. So richtig angezweifelt hatten sie ihre Teilnahme nie und dass sie gegen die USA spielen wuerden, hatten die meisten auch vorhergesagt. Gold war also Pflicht und das aus zweierlei Hinsicht. Erstens sehen sich die Kanadier, so entgegen der beruehmten kanadischen Bescheidenheit, als die Hockeynation Nummer 1 und zweitens ist eine Niederlage gegen die USA einfach nicht drin. Das ist so wie wenn Deutschland im Fussball auf England trifft; ein Sieg ist Pflicht und alles andere nationale Schande! Den USA haette ich einen Sieg nicht gegoennt, aber was sie spaeter zu dem Spiel sagten, gefiel mir ganz gut: „Wir haben bewiesen, dass Hockey nicht Kanadas Spiel allein ist, schliesslich haben wir sie zur Verlaengerung gefuehrt.“ Wahre Worte!
Die Schlussfeier hautnah mitzuerleben, war nochmal ein ganz besonderes Erlebnis fuer mich und ich erinnerte mich daran, wir mir vor einigen Wochen bei der Generalprobe so richtig bewusst wurde, was da eigentlich auf uns zukam und dass es nun endlich nach vielen Monaten Vorbereitung soweit war. Waehrend der Show dachte ich mehrmals an meine ehemaligen Kollegen bei VANOC, von denen viele 2 oder 3 Jahre ihres Lebens damit zugebracht haben, 3 Wochen Olympics und 2 Wochen Paralympics zu organisieren. Eine meine Freunde brachte es spaeter auf den Punkt: „2 Jahre fuer 3 Wochen!“ Wahnsinn, was da fuer ein organisatorischer Aufwand dahintersteckt und ich bin so froh und dankbar, dass ich einen kleinen Teil davon miterleben durfte. Sowieso habe ich aus dem Ereignis Olympische Spiele meiner Meinung nach das beste fuer mich rausgeholt; Einblick in die Organisation bei VANOC erhalten und viele unserer fantastischen Freiwilligen rekrutiert, fuer Sicherheit an einer der wichtigsten Veranstaltungsorte waehrend der Olympics gesorgt und nun fuer die Paralympics selbst in die Rolle eines Freiwilligen geschluepft um alles nocheinmal von einer ganz anderen Perspektive zu erleben. Was ich in den letzten Wochen und Monaten erlebt und dazugelernt habe, kann mir keiner nehmen und wird mich fuer den Rest meines Lebens begleiten.
Inwieweit die gesamte Feier im deutschen Fernsehen gezeigt wurde, weiss ich nicht, aber die Rede von John Furlong, dem Vorsitzenden von VANOC, ging mehr sehr nah. Sein Appell an Kanada, die gute Stimmung auch nach den Spielen beizubehalten; sein Lob an die vielen Athleten, die voller Stolz nach Hause fahren koennen; seine Anerkennung und Dankbarkeit gegenueber den Freiwilligen, ohne deren Aufopferung diese Spiele nicht moeglich gewesen waeren; aber auch die erneute Wuerdigung des tragischen Unfalls im Whistler Sliding Centre am ersten Tag der Spiele, lies die Zuschauer mal stolz und euphorisch, mal dankbar und anerkennend, mal erschuettert und nachdenklich reagieren und trieb mir ein paar Mal Traenen in die Augen. John Furlong hat in den letzten Jahren sehr viel Kritik einstecken muessen und war gerade in Vancouver einer der meistgehassten Maenner, vorallem weil VANOC fuer alles Negative in Verbindung mit den Olympics verantwortlich gemacht wurde. Nun nach den Spielen erhaelt er endlich die Anerkennung, die er nach all den Jahren harter Arbeit verdient hat!
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